Heidelberger Akademie der Wissenschaften verleiht Preise an Nachwuchsforscherinnen

Pressemitteilung vom 04. Mai 2006

Karl-Freudenberg-Preis 2006 für neue Ansätze in der Malaria-Forschung – Walter-Witzenmann-Preis 2006:
Das Selbstbild deutscher Juden in Zeiten des Krieges, 1870/71

 

Dr. Ann-Kristin Müller wurde an der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg von Prof. Dr. Michael Lanzer im Fach Biologie am Hygiene-Institut, Abteilung Parasitologie, promoviert.
(Foto: privat)

Dr. Christine Krüger wurde an der Universität Tübingen von Prof. Dr. Dieter Langewiesche im Fach Neuere Geschichte promoviert und arbeitete als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Sonderforschungsbereich „Kriegserfahrungen“ an der Universität Tübingen.
(Foto: privat)

Auf ihrer Jahresfeier am 20. Mai verleiht die Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Akademie der Wissenschaften des Landes Baden-Württemberg, den Karl-Freudenberg- und den Walter-Witzenmann-Preis 2006. Die beiden Preise werden jährlich an Nachwuchswissenschaftler für herausragende Forschungsleistungen vergeben, die Preise sind mit je 6000 Euro dotiert. Der Karl-Freudenberg-Preis 2006 geht Dr. Ann-Kristin Müller für ihre Dissertation „Funktionelle Charakterisierung Plasmodium Sporozoiten-spezifischer Gene im Malaria-Mausmodell“, in der sie neuartige Ansätze zur Behandlung der Malaria entwickelt. Der Walter-Witzenmann-Preis 2006 wird Dr. Christine Krüger verliehen. In ihrer Dissertation „»Sind wir denn nicht Brüder?« Deutsche Juden im nationalen Krieg, 1870/71“ untersucht sie erstmals ausführlich das geistesgeschichtlich brisante Spannungsverhältnis zwischen nationaler und religiöser Identität, in welches sich die deutschen Juden durch den Waffengang gegen Frankreich Ende des 19. Jahrhunderts gebracht sahen.

Forschungsergebnisse Dr. Ann-Kristin Müller (Karl-Freudenberg-Preis 2006):

Weltweit sterben jährlich zwischen 1,5 und 2,7 Millionen Menschen an der Malaria, auf rund 300 bis 500 Millionen wird die Zahl der Neuerkrankungen veranschlagt. Vor allem Afrika ist von der Krankheit betroffen, hier leben gegenwärtig 9 von 10 Malariakranken, die Hälfte aller Sterbefälle sind Kinder unter fünf Jahren. Nach wie vor gibt es keine Schutzimpfung, alle Versuche, den Überträger der Krankheit, die Anopheles-Mücke, auszurotten, erwiesen sich als erfolglos. Auch dem Erreger selbst, einem einzelligen Parasiten der Gattung Plasmodium, konnte die Wissenschaft bislang nicht zu Leibe rücken. „Beim Stich durch eine infektiöse Mücke gelangen Plasmodium-Sporozoiten aus den Speicheldrüsen zunächst in die Zellschichten unter der Haut. Von hier aus erreichen sie die Blutgefäße und innerhalb weniger Minuten die Leber, wo sie sich festsetzen und in den Leberzellen, den Hepatozyten, weiterentwickeln“, erklärt Dr. Ann-Kristin Müller den Infektionsverlauf. In der Leber teilen und vermehren sich die Plasmodien. Nach wenigen Tagen entstehen auf diese Weise bis zu 30.000 infektiöse Merozoiten. Jeder von ihnen ist in der Lage, eine Malaria-Infektion im Blut hervorzurufen. „Plasmodium-Sporozoiten und Leberstadien sind ideale Ansatzpunkte für eine erfolgreiche Medikamenten- und Impfstoff-Entwicklung, da sie vor den pathogenen Blutstadien auftreten. Könnten wir sterilisierende Immunreaktionen hervorrufen, wäre die Infektionskette an einem für den Parasit empfindlichen Punkt seiner Entwicklung unterbrochen“, so Müller. Der Schwerpunkt ihrer wissenschaftlichen Arbeit liegt auf zwei Genen der Malaria-Parasiten, UIS3 und UIS4. Mit Hilfe der reversen Genetik wurden die UIS-Gene gezielt im Genom von Plasmodium ausgeschaltet und die Phänotypen der veränderten Parasiten untersucht.
Parasiten, denen eines dieser Gene fehlt, durchlaufen den Malaria-Lebenszyklus nur bis zur frühen Reifung in Leberzellen. In diesem Entwicklungsstadium verharren die Parasiten und sind nicht mehr in der Lage, pathogene Merozoiten zu bilden. Diese genetisch unschädlich gemachten Parasitenstämme konnten für experimentelle Immunisierungen im Nagetier-Modell bereits eingesetzt werden. Es zeigte sich, dass diese Stämme einen kompletten sterilen Schutz vor nachfolgenden Infektionen mit natürlichen Sporozoiten vermitteln. Die uis3(-) und uis4(-) Stämme sind die ersten standardisierten, genetisch attenuierten Plasmodium-Parasiten, die auf diese Weise als Lebendimpfstoff gegen Malaria verwendet werden könnten. Die Isolierung weiterer genetisch veränderter Plasmodium-Stämme kann die Suche nach schützenden Antigenen in Zukunft erleichtern.

Forschungsergebnisse Dr. Christine Krüger (Walter-Witzenmann-Preis 2006)

Der deutsch-französische Krieg 1870/71 führte die deutsche Reichseinigung herbei. Die Entscheidungen darüber, wie sich die entstehende Nation selbst definierte, war bestimmend für die Frage, welche Stellung die Juden in ihr einnehmen sollten. Deutsche Juden knüpften an die Einigung große Hoffnungen: Sie erwarteten, nun endlich als gleichberechtigte Staatsbürger anerkannt zu werden. Die in der deutschen Öffentlichkeit immer wieder beschworenen Kriegsziele: Einigkeit, Recht und Freiheit ließen sich nicht nur gegen den Kriegsgegner Frankreich verwenden, sondern gewannen für die Juden auch als diejenigen Ziele Sinn, die sie für ihre Stellung im künftigen deutschen Kaiserreich zu erreichen hofften. Überdies sahen sie in dem Krieg die Gelegenheit, eines der am häufigsten von Emanzipationsgegnern vorgebrachten Argumente zu entkräften, daß nämlich die Juden auf eine Rückkehr nach Palästina warteten und Deutschland nicht als ihr Vaterland betrachteten. Da man dieser Argumentation zufolge kein Vertrauen darauf haben könne, daß sie im Kriegsfall auch mit der Waffe in der Hand für Deutschland einstehen, sie also ihre Staatsbürgerpflichten erfüllen würden, könne man ihnen auch nicht die Staatsbürgerrechte verleihen.
Mit großer Einstimmigkeit befürworteten deutsche Juden die jüdische Teilnahme am deutsch-französischen Krieg. Vielerorts taten sie sich durch patriotische Spenden oder bei Wohltätigkeitsaktionen hervor. Doch das Bekenntnis zum Patriotismus war für sie nicht immer unproblematisch. Denn im Kriegsgegner Frankreich bekämpften sie ein Land, das eine Vorreiterrolle in der Juden-Emanzipation einnahm und ihnen deshalb seit der französischen Revolution als Vorbild galt.
Juden in Frankreich, aber auch in anderen, nicht am Krieg beteiligten Ländern, hielten ihren deutschen Glaubensgenossen daher vor, gegen ihre gemeinsamen Ziele zu kämpfen. Denn die elsässischen Juden – und das heißt, mehr als die Hälfte der französischen Juden – fürchteten, dass sich mit der Angliederung an das Reich ihr rechtlicher Status verschlechtern würde, viele von ihnen emigrierten deshalb lieber nach Frankreich oder in die USA. Die guten Beziehungen, die deutsche und französische Juden bis zum deutsch-französischen Krieg gepflegt hatten, wurden nun stark belastet. Für deutsche Juden galt es, Position zu beziehen im Loyalitätskonflikt zwischen Religion und Nation. Einen Ausweg aus dieser Situation suchten auffällig viele von ihnen in einem Appell an eine humanistische Friedensidee, wie sie sonst in der nationalistisch aufgeheizten deutschen Öffentlichkeit nur wenige Anhänger fand.

 

Datum:20. Mai 2006
Uhrzeit: 11 Uhr
Ort:Alte Aula der Universität Heidelberg

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Letzte Änderung: 24.05.2018