Urheberrechtsreform gefährdet elektronischen Zugang zu Akademiepublikationen

Pressemitteilung vom 11. April 2006

Stellungnahme der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften zu dem „Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft“ vom 22.03.2006

 

Der Kabinettsentwurf zur Reform des Urheberrechtsgesetzes gefährdet den elektronischen Zugriff der Öffentlichkeit auf die Forschungsergebnisse der deutschen Akademien der Wissenschaften. Problematisch ist insbesondere die geplante Neueinführung des § 137l UrhG-E. Die Umsetzung des Gesetzentwurfes würde die Akademien dazu zwingen, die Rechte an einer Veröffentlichung der eigenen, überwiegend aus Steuermitteln finanzierten Forschungsergebnisse von kommerziellen Verlagen zurückzukaufen, wenn sie diese im Internet publizieren möchten. Bei Hunderten Publikationen pro Jahr mit - im Falle von Wörterbüchern und Editionen - bis zu jeweils 40 beteiligten Wissenschaftlern wäre es für die Akademien praktisch unmöglich, alle Autoren binnen der vorgegebenen Jahresfrist zu kontaktieren, damit die Rechte zur digitalen Publikation nicht automatisch an die kommerziellen Verlage fallen. Der Auftrag der Forschungseinrichtungen, gewonnenes Wissen der Öffentlichkeit schnell und zuverlässig zu vermitteln, würde somit vereitelt.

Bei der Diskussion um die Reform des Urheberrechtsgesetzes wird außer acht gelassen, dass sich gerade in einem für unsere Gesellschaft zentralen Bereich des Publikationswesens wie der Wissenschaft nicht nur Urheber und Verlage gegenüberstehen. Die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen wird vielmehr in weiten Teilen von Wissenschaftsorganisationen veranlasst. Diese fördern mit dem Einsatz öffentlicher Mittel nicht nur die Erarbeitung solcher Ergebnisse, sondern auch deren Verbreitung in der Öffentlichkeit. So stehen die sieben in der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften zusammengefassten Akademien mit ihren zahlreichen Veröffentlichungen ebenfalls als Vermittler zwischen Autoren und Verlagen.

Die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften nimmt daher den am 22.03.2006 vorgestellten Kabinettsentwurf zur Reform des Urheberrechtsge-setzes zum Anlass, auf die weiterhin bestehenden Bedenken in Wissenschaft und Forschung gegen die derzeitige Form der Neuregelung hinzuweisen. Es muss Aufgabe des weiteren Gesetzgebungsverfahrens sein, das Urheberrecht für alle Betroffenen ausgewogen zu gestalten. Die sich abzeichnende Neuausrichtung der Regelungen für den Umgang mit geistigem Eigentum setzt hingegen einen deutlichen Akzent auf die (kommerzielle) Verwertung elektronischer Art durch Verlage. Die geplante Rechtsübertragungsfiktion des § 137l UrhG-E hat zur Folge, dass bislang unbekannte Nutzungsrechte automatisch dem bisherigen Buchverlag zufallen.

  • Ein notwendiger elektronischer Zugriff der Öffentlichkeit auf die Forschungsergebnisse ist damit nicht sichergestellt, zumal den Verlagen keine gleichzeitige Verpflichtung zur digitalen Publikation auferlegt wird.
  • Der Auftrag der Forschungseinrichtungen zur weitreichenden Verbreitung des gewonnenen Wissens wird durch die ausschließliche Einräumung der elektronischen Nutzungsrechte an die Verlage vereitelt.
  • Die Stellung der öffentlichen Forschungseinrichtungen als Vermittler zwischen Urheber und Verlag bleibt bei dem Kabinettsentwurf gänzlich unberücksichtigt: Hat die Forschungseinrichtung ihre Mitarbeiter bereits für die Erstellung von Werken vergütet, so ist nicht einzusehen, dass der vorgesehene Zuwachs an digitalen Nutzungsrechten bei einem Dritten (dem Verlag) eintritt. Dies gilt umso mehr, als die Forschungseinrichtungen auch dem Verlag oftmals finanzielle Unterstützung durch die Gewährung von Publikationszuschüssen zukommen lassen.
  • Im Rahmen eines ausgewogenen Interessenausgleichs ist zumindest ein eigenes Widerspruchsrecht aller bisherigen Rechtsinhaber vorzusehen.

Abrufbar unter: www.bmj.de/media/archive/1174.pdf (Stand: 11.04.2006).

Die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften ist die Dachorganisation von sieben Wissenschaftsakademien, die sich zur Umsetzung gemeinsamer Interessen zusammengeschlossen haben (Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Bayerische Akademie der Wissenschaften, Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz, Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften). Unter dem Dach der Union sind mehr als 1600 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen verschiedenster Fachrichtungen vereint, die zu den national und international herausragenden Vertretern ihrer Disziplinen gehören. Gemeinsam engagieren sie sich für wissenschaftlichen Austausch, exzellente Forschung und Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses.

Die Union koordiniert das "Akademienprogramm", das eines der größten und bedeutendsten geisteswissenschaftlichen Forschungsprogramme der Bundesrepublik Deutschland darstellt. So ist die Union zuständig für die Koordinierung und Durchführung gemeinsamer Forschungsvorhaben ihrer Mitgliedsakademien. Sie empfiehlt die Bildung von Schwerpunkten für verwandte Projekte, fördert die Kommunikation zwischen den Akademien und betreibt Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Sie kommuniziert mit Wissenschaftsorganisationen des In- und Auslandes und entsendet Vertreter in nationale und internationale Wissenschaftsorganisationen. Eine organisierte Zusammenarbeit der deutschsprachigen Akademien der Wissenschaften gibt es bereits seit über 100 Jahren. Sie geht zurück auf das sogenannte "Kartell", das 1893 in Leipzig für die Betreuung von über 30 gemeinsamen Akademie-Forschungsvorhaben gegründet wurde.



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Lehrstuhl Prof. Dr. Gerald Spindler,
Juristisches Seminar der Georg-August-Universität Göttingen,
Platz der Göttinger Sieben 6, 37073 Göttingen.
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E-Mail: joern.heckmann@gmx.de

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Karlstr. 4, 69017 Heidelberg.
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Generalsekretär der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften,
Geschwister-Scholl-Straße 2, 55131 Mainz.
Telefon: 06131 / 21 85 28 12
E-Mail: dieter.herrmann@akademienunion.de

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Letzte Änderung: 24.05.2018